Pilotprojekt mit Jugendlichen hat einflussreiche Förderer
Nürnberg – Sie haben ihre Ziele hochgesteckt: Sabit, Deniz, Almin und Bianca. Die vier jungen Leute wollen Anwalt, Betriebswirtin, Architekt oder Ergotherapeutin werden. Eine Existenz als Ladenbesitzer oder Unternehmer strebt keiner an. Auch nicht ihre Mitschüler und die anderen, die an dem Theaterprojekt von Jean-Francois Drozak beteiligt sind. Der Regisseur hat ein Stück über Familienunternehmen mit den Jugendlichen erarbeitet. Dabei handelt es sich um ein Pilotprojekt, das vom Bundesamt für Migration gefördert und von der Nürnberger Zeitung als Medienpartner intensiv begleitet wird.
Viel Spaß hatten die Schüler beim Erstellen von Beiträgen über ausländische Unternehmer unter Anleitung von NZ-Redakteurin Ella Schindler (Mitte).
Es ist ein ganz besonderes Stück, das Drozak mit etwa einem Dutzend Laien am heutigen Mittwoch in der Aula der Bismarckschule auf die Bühne bringt. Denn es handelt sich um den Versuch, das Thema Migration durch die Hintertür in die Köpfe der Zuschauer zu bringen. Mit dieser Intention, die das „legislative Theater“ charakterisiert, reiht sich Drozaks Projekt nahezu nahtlos in die aktuellen Überlegungen des Bundesamtes für Migration ein, die über neue Strategien nachdenken.
„Wir müssen wegkommen von dem Gedanken, dass wir etwas gezielt für Deutsche und Migranten anbieten“, erklärt Katrin Hierseland, Pressesprecherin der Bundesbehörde. Es gehe vielmehr darum, „eine Willkommens- und Anerkennungskultur zu schaffen“. Wie es gelingen könnte, diesen Mentalitätswechsel in der Gesellschaft zu verankern, darüber diskutieren Mitarbeiter des BAMF auf breiter Ebene mit zahlreichen Experten. Ab Donnerstag auch auf einer Tagung in Nürnberg.
„Familienbetriebe“, wie das Theaterstück von Drozak heißt, ist ein vielversprechendes Experiment. Für den Initiator steht nicht das Theaterspielen im Mittelpunkt, sondern das Bemühen, durch die Bühnenpräsenz Themen in den gesellschaftlichen Diskurs zu bringen.
Und zwar von Menschen, die sonst nicht gehört werden. „Wer der Gesellschaft etwas mitteilen möchte, muss entweder berühmt sein oder gut reden können“, betont der engagierte Künstler. Zudem sei das Theaterstück nicht abstrakt, sondern dreidimensional, mit einer einfachen Dramaturgie. Die Geschichten werden sehr personenbezogen erzählt.
Der Stoff für das Theaterstück, das Schüler der achten Klassen der Bismarckschule, recherchierten ebenfalls Jugendliche. Schüler der achten und neunten Klassen von der Geschwister-Scholl-Realschule. Sie werden am Donnerstag mit Unterstützung der NZ-Redaktion auf einer Sonderseite drei Geschäftsleute vorstellen, die einen Familienbetrieb in Gang halten. Ihre Recherche-Ergebnisse bildeten die Vorlage für die Inszenierung des Stücks.
Für Sabit, Deniz, Almin, Bianca und ihre Kollegen von der Geschwister-Scholl-Realschule war es eine ganz neue Erfahrung, sich so intensiv mit Zeitungstexten zu beschäftigen. „Mir war gar nicht klar, was für ein Aufwand hinter einem Artikel steckt“, meint Nino. Er findet, dass die Zeitung deswegen „viel mehr Respekt verdient hat“. Auch von dem Thema Familienbetriebe waren die Jung-Autoren angetan. Laukhiesan war klar, dass Familienbetrieb „viel Arbeit bedeutet“.
Bianca war beeindruckt, dass in solchen Familien über fast nichts anderes gesprochen wird als über die Arbeit. Bei Almin ist dies Alltag. Denn sein Vater hat eine Firma für Trockenbau und Eisenblech. Sein Vater spreche zwar nicht besonders gut deutsch, kenne aber mehr Gesetze als ein Deutscher, weil er das für seine Arbeit braucht, weiß sein Sohn. Und darauf komme es an, sind sich die Schüler einig, die übrigens alle in Deutschland geboren sind.
Die Premiere von „Familienunternehmen“ findet am Mittwoch, 19 Uhr, in der Aula der Bismarckschule in Nürnberg statt. Interessierte sind willkommen. Der Eintritt ist frei.
Petra Nossek-Bock