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Mit nur einer Tasche in ein neues Leben – NZ

28. Mai 2018

anneAnne Tieseler ist Ladengestalterin und Minimalistin. Die 32-jährige Nürnbergerin versucht, durch Verzicht auf Verpackungen die Umwelt zu schützen.

NZ: Frau Tieseler, was ist Minimalismus?

Anne Tieseler: Minimalismus ist die Kunst, mit weniger zu leben. Für einen, der viel unterwegs ist, bedeutet es, leichtes Gepäck mitzunehmen. Für einen anderen, einfach weniger zu besitzen. Im Allgemeinen bedeutet es, nur das zu verwenden oder zu kaufen, was man wirklich braucht.

NZ: Wann haben Sie damit angefangen?

Tieseler: Das war vor fünf Jahren. Als ich und mein Mann umgezogen sind, haben wir viel aussortiert und verkauft, von dem, was wir besessen haben, und jeder hat nur eine Tasche mitgenommen. In unserer neuen leeren Wohnung haben wir uns überlegt, was wir wirklich brauchen. Wir wollten unser Geld und unsere Zeit lieber für die nötigen Sachen ausgeben.

NZ: Was hat Sie dazu motiviert?

Tieseler: Es war nicht geplant. Der Lebenswandel kam mit dem Umzug. Wir wollten nicht alles mitnehmen. Wir haben sehr schnell gemerkt, dass es das Richtige für uns ist, weil wir gar nicht so viel brauchen und es für unser Leben so besser und leichter ist.

NZ: Auf was verzichten Sie im Alltag?

Tieseler: Ich finde, ich verzichte auf nichts, weil ich das kaufe oder habe, was ich auch brauche. Aber viele Leute finden es komisch, dass wir zum Beispiel keinen Fernseher haben, weil es für sie standardmäßig dazu gehört. Anderes Beispiel: Beim Einkaufen achten wir darauf, frische Sachen statt Fertigprodukte zu kaufen und selber zu kochen. Für mich ist das wieder eine Bereicherung, aber für andere Leute würde es Verzicht bedeuten.

NZ: Sie versuchen auch, Müll zu reduzieren. Wie machen Sie das?

Tieseler: Das funktioniert vor allem außerhalb des Zuhauses. Ich kaufe Sachen lose oder ohne Verpackung im Supermarkt und auf dem Markt. Beim Bäcker nehme ich meine eigene Tüte mit. Wenn ich Tee kaufe, nehme ich ein eigenes Glas mit. Mit ein bisschen Planung und Umstellung kann man den Müll reduzieren. Es kostet oft weniger, da man die Portionen dosieren kann. Zudem ist die Ware auf dem Markt qualitativ besser und frisch.

NZ: Ist es auch manchmal anstrengend für Sie, so zu leben?

Tieseler: Anfangs war es manchmal anstrengend. Aber wir haben nicht alles auf einmal umgestellt, sondern Stück für Stück. Wenn eine Creme leer ging, habe ich sie etwa durch Pflanzenöl mit ein paar Tropfen Wasser ersetzt. Das ist auch günstiger, gesünder und umweltfreundlicher. Bei anderen Sachen ist es jedoch eine Herausforderung. Mein Mann und ich essen gerne Tofu und wir haben entdeckt, dass es das auch lose im Wasser in Asia-Shops zu kaufen gibt. So kann ich mein eigenes Glas benutzen. Beim Einkaufen ist das für uns schon zur Gewohnheit geworden.

NZ: Was hält Ihre Familie von diesem Lebensstil?

Tieseler: Unser Kleiner ist 15 Monate alt und er bekommt das natürlich mit. Er entscheidet noch nicht viel selber, aber in Zukunft kann er eigene Entscheidungen treffen. Mein Mann war am Anfang sehr skeptisch, jedoch hat er schnell gemerkt, dass wir dadurch viel Geld und Zeit sparen. Dann hat er auch sofort mitgemacht. Meine Eltern und Freunde fanden es anfangs wirklich komisch, haben aber inzwischen verstanden, warum wir das machen. Manche von ihnen haben sogar selber angefangen, ein minimalistisches Leben zu führen.

NZ: Ist jemand in ihrem Umfeld auch Minimalist?

Tieseler: Meine Eltern haben schon immer in diese Richtung gelebt, jedoch würden sie sich selber nicht als Minimalisten bezeichnen. Sie finden auch, dass man beim Einkaufen Geduld haben sollte, damit man lieber etwas kauft, das einem auch wirklich gefällt und qualitativ hochwertig ist. Ich persönlich definiere Minimalisten nicht anhand der Sachen, die sie besitzen, sondern anhand der Gedanken, die sie haben. Ich bin positiv überrascht, weil sich in Nürnberg sehr viel getan hat, um den Müll zu vermeiden. Das fördere ich auch mit meinem Blog und versuche, viele Menschen zu erreichen.

NZ: Beeinflusst der Minimalismus Ihren Beruf?

Tieseler: Ich habe meinen Beruf als Innenarchitektin auch deshalb gewählt, weil es da ebenfalls um Nachhaltigkeit geht. Momentan gestalte ich Bioläden, weil es gut zum Thema Einkaufen passt.

NZ: Worauf könnten Sie gar nicht verzichten?

Tieseler: Auf das Leben in der Stadt, weil ich es so gerne mag. Trotz der kleinen Wohnung, die ich habe, gefällt mir der Standort.

NZ: Und wie sieht es mit der Kleidung aus?

Tieseler: Ich habe zwar nur wenige Kleidungsstücke in meinem Schrank, aber jedes einzelne ist ein Lieblingsstück von mir geworden und sie sind alle gut miteinander kombinierbar, im Sommer und auch im Winter.

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