- Die Berufsberatungsgala& Pressespiegel+ FachkräftemangelDie Agentur für Kulturdesign
Ein Theater ohne Pathos, aber mit Herz – Grafenau

25. März 2012

herzwerker

Realschüler bringen Herzwerker-Projekt überzeugend rüber – Aktion soll Nachwuchs anlocken

Von Hermann Haydn (Passauer Neue Presse)

Grafenau. „Wir werden uns um 1000 Prozent steigern“, hatte der Theaterpädagoge Jean-Francois Drozak am Montag noch vorausgesagt. Am Donnerstag war die Schulturnhalle voll. Das Lampenfieber hat da wohl sein Maximum erreicht. Aber es spielte keine Rolle.

Die acht Schüler der Grafenauer Realschule lieferten vielmehr eine überzeugende Leistung ab. Und das ist umso mehr zu betonen, da sie großteils ohne Schauspielerfahrung auch nicht auf einen „leichten Stoff“  los gelassen wurden, bei den man mit etwas Witzigkeit darstellerische Schwächen überspielen hätte können , sondern auf die oft genug knallharte Realität im Pflegealltag, die authentisch und dennoch fesselnd darzustellen die Aufgabe lautete.

Drei Tage sind nie und nimmer genug für eine Schauspielausbildung. Sie sind aber auch nicht zu lange, um sich mit beginnender Theatralik selbst im Weg zu stehen. Sie haben gereicht, unter Moderation des Theaterpädagogen Drozak und unter der Regie der „Herzwerker“ aus Altenpflege, Kindertagesstätte, Behinderten- und Jugendhilfe acht Begebenheiten, wie sie täglich passieren könnten und einmal auch tatsächlich passiert sind, zu erfahren, zu begreifen und mit wenig Requisite und flottem Bühnenbildwechsel weiter zu transportieren.

Einen Menschen mit Behinderung zu spielen ist zunächst fast persönlich schmerzhaft. Einen Alten zu waschen für Jugendliche peinlich. Menschliche Betroffenheit, Härte oder Gute im Drehbuch will erst einmal echt rüber kommen. Das war wirklich spannend, was aus den Anfängen vom Montag mit Gekichere und Unsicherheit bis zum Donnerstag geworden ist. Das Publikum konnte mitfühlen, mitlachen, mitdenken. Die acht kurzen Sequenzen aus dem Alltag wirkten an keiner Stelle überzogen (im Dienste eines nötigen Showeffekts), wenn auch an der Pointierung sanft gefeilt worden war. Es war aber auch kein fades Problemwälzen auf Bühnenbrettern mit anschließender Seelenwäsche per Diskussion. Es war einfach so, wie es gewesen sein könnte; abzüglich zwei extra eingebauten Lügendetails, die das Publikum gar nicht leicht erraten konnte. Dass ein Praktikant nie alleine arbeiten dürfte, war so ein eingebautes Detail. Es ging darum, wie Entwicklungsunterschiede in Tagesstätten überbrückt werden, wie ein Moment der Menschlichkeit den harten Pflegejob zur Berufung werden lässt, wie Behinderte „andersbesonders“ sind und warum Jugendhilfe nicht abgeschoben, sondern auffangen bedeuten kann. Die Herzwerker zeigten sich von ihrer besten, also eigentlich ganz normalen Seite. Denn theatralisches Heldentum hielte hier ohnehin keiner ein Berufsleben lang durch.

Ministerialdirigent Werner Zwick sprach als Ehrengast des Abends davon, dass Menschen in sozialen Einrichtungen beeindruckende Menschen seien. Es seien sinnstiftende Berufe, die viel geben, auch viel zurück bekämen. Er verwies auch darauf, dass man sich des Wertes ihrer Leistung bewusst sein oder werden müsse. Jeder erwarte sich, etwa im Alter, weiter menschwürdig versorgt zu wissen. Aber das gebe es eben auch nicht zum Nulltarif. Am wichtigsten sei aber, geeigneten Nachwuchs in großer Zahl zu finden, die sich auf einen immerhin zukunftssicheren Job einlassen wollen. Das steckt ja auch als Hintergrund hinter dem Projekt Herzwerker, durch dem Kontakt zum Berufsfeld junge Menschen und Entscheiderumfeld dafür zu begeistern, dass das neben Büro oder Werkstatt auf ein guter Lebensweg sein kann.

Realschuldirektor Günther Schwarzbauer begrüßte deshalb gerne alle Ehrengäste von stellvertretendem Landrat über Bürgermeister, Vertretern von Schulen und Sozialverbänden und freute sich noch mehr über die große Zahl an „Zielgruppenbesuchern“. Viele Schüler und Eltern waren auch da. Wohl schon alleine, um die Mitschüler als Darsteller zu erleben. Als ein beeindruckendes Fazit des Abends bleibt aber nochmals zu betonen: Sie ließen sich nicht eine Rolle überstülpen, sondern die Realität. Dass die hervorragend ankam war entscheidend für das Projekt.

Dieser Beitrag wurde unter - Die Berufsberatungsgala, & Pressespiegel, + Fachkräftemangel, Die Agentur für Kulturdesign veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.