Wo sich Singen unter Dusche lohnt – Punkrock-Konzert oder Putzhappening?
In einem Stuttgarter Hotel kann man seine Übernachtung mit einer Performance bezahlen. Betrieben wird es von einem Kunststudenten – und der lässt auch schon mal Singen unter der Dusche als Darbietung durchgehen.
Fitnessraum, Wellnessbereich und Privatkino, dazu Kunst auf den Zimmern: Die Ausstattung des Hotels klingt nach Edelschuppen, fünf Sterne de luxe. Der Preis jedoch klingt nach Schnäppchen: 3, 10 oder 15 Euro kostet die Nacht. Und er klingt nach Abenteuer: Wahlweise können die Gäste auch mit einer Lesung bezahlen, mit einem Konzert oder einem Tanz.
Der Hoteldirektor des Stuttgarter Hauses heißt Byung Chul Kim und kommt aus Korea, ein jungenhaft verschmitzter Typ mit Turnschuhen, Jeans und Kapuzenjacke, zu dem seine grauen Haare einfach nicht passen wollen, genauso wenig wie seine 36 Jahre. In Stuttgart hat Kim schon einmal für Aufsehen gesorgt, als er eine Woche im Schaufenster einer Zoohandlung lebte und sich als Haustier anbot. Für 1200 Euro. “Es wäre eine gute Investition gewesen”, sagt der Video- und Performancekünstler Christian Jankowski, “von ihm werden wir noch was hören.”
Kim hat in Seoul westliche Malerei studiert, seit 2005 ist er an der Kunstakademie Stuttgart eingeschrieben, in der Klasse Jankowskis. Er ist Konzeptkünstler und nun eben auch Hoteldirektor: Sein Hotel ist ein Performance-Hotel, vermutlich das erste und einzige in Deutschland. Wer eine Performance macht, den lässt er gratis übernachten – Erlebnisprogramm inklusive: Ein Zimmer hat Kim als Werkstatt und Fitnessraum eingerichtet, mit einem alten Fahrrad, das er zum Ergometer umgebaut hat. Im rosafarbenen Badezimmer steht vor der Toilette ein Fernseher, auf dem ein Video in Endlosschleife läuft. Wer auf der Schüssel sitzt, sieht sich so dem Künstler Kestutis Svirnelis gegenüber, der ebenfalls sitzt und schwitzt und drückt, eine anschwellende Ader auf der Stirn. “Das hilft”, sagt Kim.
Die Einrichtung ist charmant improvisiert
Noch derber ist ein Werk über der Toilette: ein Spiegel, auf dem eine Schere klebt, so dass Stehpinkler sich bedroht sehen. Im Garten hinter dem Haus steht eine Badewanne vom Sperrmüll, aufgebockt auf Pflastersteinen, so dass das Gartenschlauchwasser in der Wanne mit einem Feuerchen darunter angeheizt werden kann. Ein romantischer Ort, erst recht, wenn abends ein Film auf die weißgetünchte Ziegelwand des Nachbarhauses projiziert wird.
Auch der Rest der Einrichtung ist charmant improvisiert: Die Vorhänge sind rosa und neongelb und flecktarnfarben, die Kerzen stecken in Bierflaschen, die Tapete ist per Hand mit Schweinemustern bedruckt. Nur zwei Schlafräume gibt es, einen mit Liege und einen mit bunt bezogenen Matratzen, ohne Bettkasten und Lattenrost, dazwischen Platz für Isomatten und Schlafsäcke. Was soll’s: Der Gast ist nicht König, der Gast ist Künstler. (…)
Tobias Becker