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Advent, Advent, hier wird verpennt – NN

11. Dezember 2011

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Für eine Straßenkreuzer-Benefizaktion übernachten Promis im Schaufenster – 05.12.11

Nürnberg  – Eine Hotelsuite stellt man sich eigentlich anders vor: Im Schaufenster des Projektbüros „Nordkurve“ in der Rothenburger Straße schläft seit 1. Dezember jede Nacht eine mehr oder weniger bekannte Persönlichkeit aus dem Nürnberger Stadtleben. Und zwar für einen guten Zweck: Die Organisatoren wollen mit der Aktion für den Freundeskreis des Sozialmagazins Straßenkreuzer trommeln.

Willkommen an meinem Bett!” – eine Begrüßung, die man von einem SPD-Stadtrat eher selten hört. Michael Ziegler spricht’s gelassen aus. Gut gelaunt steht (darf man das?!) er auf seiner Schlafstatt für eine Nacht. Und die, kuschelig mit Bärenfell, befindet sich von außen gut einsehbar in einem Schaufenster. Aber jemanden, der im Erdgeschoss am Westring aufgewachsen ist, kann so schnell nichts schrecken.

Locker geht‘s zu am ersten Abend der ungewöhnlichen Aktion. Aber der Hintergrund ist ein ernsthafter: Jean-Francois Drozak, Betreiber der „Nordkurve“, hat die Idee zu dem Projekt gemeinsam mit der Künstlerin Heike J. Wurthmann entwickelt. Die beiden wollen die Arbeit des Sozialmagazins Straßenkreuzer unterstützen. Unter dem Motto „Wofür lohnt es sich in Nürnberg zu träumen“ entstand das Konzept eines doppelten Adventskalenders, bei dem sich nun, wie es sich gehört, an jedem Abend ein Türchen öffnet.


“Normalerweise schlafe ich gut – und wenn nicht, betäub’ ich mich halt”, berichtet Bembers und lächelt die Bierflasche in seiner Hand an. Aber Spaß beiseite, sagt er dann: Hier geht es nicht darum, dass ich gut schlafe, sondern darum, dass die Leute auf den Straßenkreuzer aufmerksam werden.

Einerseits schläft jedes Mal ein anderer Gast im Schaufenster, um Solidarität mit Obdachlosen zu bekunden. Andererseits rückt Heike J. Wurthmann täglich eine andere ihrer Schokoladen-Skulpturen in den Mittelpunkt. Sie hat in Gesprächen mit Straßenkreuzer-Verkäufern deren Träume erfragt, diese mit Hilfe von Alltagsgegenständen visualisiert und die 24 kleinen Skulpturen dann mit insgesamt 42 Kilo weißer Kuvertüre überzogen: „Ich habe die Träume versüßt.“ Und selbst dabei abgenommen!

Da geht einem doch das Herz auf: Stadtrat Michael Ziegler mit Maskottchen Tobi in seinem Bett für die Nacht auf den 2. Dezember. Hinten rechts lugt Künstlerin Heike J. Wurthmann durchs Schaufenster. Von ihr stammen die mit weißer Kuvertüre überzogenen Skulpturen. Sie hat die Träume von Straßenkreuzer-Verkäufern in kleine Kunstwerke übersetzt.

Wer anfasst, der kauft“ steht auf dem Regal mit den Schokoladenträumen, 120 Euro kostet eines der Kunstwerke. Eines zeigt einen Luftballon-Hund — der größte Wunsch eines der Befragten war es, einen Fahrradanhänger für seinen treuen Freund zu bekommen. Der Verkaufserlös geht natürlich zugunsten des Straßenkreuzers.

Aufmerksamkeit erregen, Spender für den Freundeskreis des Magazins werben (60 Euro im Jahr), Spaß haben — die Ziele der Aktion haben auch Stadtrat Michael Ziegler überzeugt. Er hat gleich eine ganze Band mitgebracht und beeindruckt als Grönemeyer-Double und Kreisler-Interpret mit Wiener Dialekt. Inbrünstig besingt er Träume und hat dafür einige Lieder umgetextet. Besonderer Clou: Wer den OB in „Taubenvergiften im Park“ findet („Da Hansel geht gern mit dem Mali, denn der Mali, der zahlt’s Zyankali“), gewinnt einen Erdbeerlolli aus dem Kommunalwahlkampf 2002. Lecker, lecker.

Bis 24. Dezember zieht nun jede Nacht ein anderer Gast in die Hotelsuite für Hartgesottene ein. Am morgigen Sonntag zum Beispiel der fränkische Hardcore-Comedian Bembers, der angekündigt hat, sich zum Affen zu machen und einen Adventskalender aus einem Schanzenbräu-Kasten zu basteln, der tags darauf dann auf Ebay für den guten Zweck versteigert wird. „Des Heftla is doch geil!“, sagt er über den Straßenkreuzer und lobt die Arbeit des Vereins: „Das ist echte Hilfe zur Selbsthilfe.“

Mit von der lustigen Schnarch-Partie sind außerdem Musikerin Keisha Ricketts (11. Dezember) und Heiner Dehner, Psychiatriekoordinator der Stadt (20. Dezember). Das Fazit von Michael Ziegler nach der aufregenden Nacht lautet jedenfalls: „Ich hab sehr gut geschlafen“ — einige der Passanten guckten morgens kurz nach sieben allerdings schon ein klein wenig skeptisch angesichts des schlummernden Herren im Schlafsack.

Jeder, der mag, kann abends ab 20 Uhr in der Rothenburger Straße 51a vorbeischauen und ins Gespräch kommen, ein Bier auf Spendenbasis trinken, oder zum Fenster hineinglotzen.

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